Viele kennen bestimmt noch die klassische Erzählmethode von Früher, anhand einer Diashow den Urlaub vor dem Freundeskreis zu veranschaulichen. Jürgen Wilhelms Arbeit beginnt mit dem Nachlass seines Vaters und dem Ausräumen des Elternhauses. Dort fanden sich eine große Anzahl von Dias, die Fragmente der Familiengeschichte beginnend in den 1920er-Jahren bis in die 90er-Jahre zeigen. Die Aufnahmen stammen von Wilhelms Großvater, Vater, sowie auch vom Künstler selbst.
Obwohl Wilhelm den Fotografen und auch oft den abgelichteten Subjekten verwandtschaftlich nahesteht, kann er nur noch bruchstückhaft erkennen - wenn überhaupt - welche Geschichte sich hinter jedem Bild verbirgt. So Wilhelms Erkenntnis: Die so aufwendig und damals sehr teuer produzierten Dias, die ja alle einzeln gesichtet, sortiert, ausgeschnitten und in kleine Diarahmen eingesetzt werden mussten, stellen jetzt nur noch vergessene Erinnerungen dar – willkürliche und erstaunlich trivial gewordene Familienszenen.
Wilhelm findet für sich in der Digitalisierung und Bearbeitung dieser großen Menge an Bildern einen angemessenen Umgang mit der Vergangenheit. Er setzt sich mit dem Verschwinden der Erinnerungen auseinander, mit dem Wissen und Nicht-Wissen, mit der Art, wie Gedächtnis und Rückblick immer wieder überschrieben werden können. Erstaunlich ist diese Auflösung der Narrative, der wir doch selbst entspringen, so der Künstler.
Jedes digitalisierte Bild wird zum Objekt, das aus mehreren übereinandergelegten Plexiglaslagen besteht. Dabei verdeckt Wilhelm Teile des Bildes mit kolorierten Flächen, sodass einzelne Fragmente dem Betrachter verborgen bleiben, ähnlich dem Informationsverlust, der mit dem Vergessen eintritt. Darüber liegt eine Lage mit feinen Linienzeichnungen, die Einzelnes skizzenhaft umrahmen und hervorheben. Mit passender Beleuchtung ergibt sich ein raffiniertes Schattenspiel, das die Vielschichtigkeit des Erlebten und die Flüchtigkeit der Erinnerung zusätzlich unterstreicht.
Die Ausstellung VERGESSENE ERINNERUNGEN findet vom 22. September bis zum 8. Oktober 2023 im Atelier NONNE 11 an der Nonnenbrücke 11 in Bamberg statt.
Herzliche Einladung zur Vernissage am 21. September um 19:00 Uhr, mit musikalischer Begleitperformance von flogosonic/ Thomas Voit.
Im Künstlergespräch am 27. September um 19:00 Uhr tauchen wir - im Dialog mit dem Jürgen Wilhelm - tiefer in die Thematik ein. Hierzu bitten wir um Anmeldung unter info@nonne-11-bamberg.de wegen begrenzter Sitzgelegenheiten.
Unter der Woche gelten Sonderöffnungszeiten wie folgt:
Mittwochs | 14:00 - 19:00 Uhr
Donnerstags | 14:00 - 19:00 Uhr
Freitags | 14:00 - 19:00 Uhr
Samstags | 11:00 – 17:00 Uhr
Wir beschließen die Ausstellung am 8. Oktober 2023 von 15:00 – 18:00 Uhr mit einer geselligen Finissage.
Text: Nora Kovats
